Für Menschlichkeit, Toleranz und gegen das Vergessen
Menschlichkeit ist etwas, was dem Menschen eigen ist. Es ist die Menschlichkeit und nicht die Intelligenz das wichtigste Gut des Menschen, denn intelligente Menschen können – wie es Geschichte und Gegenwart verdeutlichen - fehlgeleitet und bösartig sein. Menschlichkeit aber beginnt mit Toleranz. Und Toleranz ist ein Fundament unserer Gesellschaft.
Toleranz ist eine Haltung, die wir an der KGS Wittmund leben und die wir auch durch das Projekt „Stolpersteine“ für alle sichtbar umsetzen. Und das hat eine Geschichte:
Seit dem Jahr 2000 wirken Lehrer*innen und Schüler*innen an der Gedenkfeier auf dem jüdischen Friedhof in Wittmund mit. Am Buß- und Bettag lädt der Wittmunder Heimatverein zur Gedenkfeier auf dem jüdischen Friedhof ein und die KGS Wittmund unterstützt sie jährlich aktiv als lebendiges Zeichen der Erinnerungskultur.

Im Jahr 2022 entwickelte eine Projektgruppe unter der Leitung von André Peschke und Christine Lammers eine App zu den Orten, die für den Alltag Wittmunder Juden von Bedeutung waren. Hierfür sammelten Schüler*innen im Stadtarchiv Geschichten und Bilder jüdischer Familien und verfassten Texte, die in die App eingepflegt wurden und dann von Interessierten bei einem Standrundgang in der App Actionbound gehört werden können. So wurde das ehemalige jüdische Leben wieder in der Stadtgeschichte Wittmunds erfahrbar. Am Buß- und Bettag ist der Stadtspaziergang im Jahr 2022 zum ersten Mal Teil der Gedenkfeier.
In der Folgezeit fiel immer wieder auf, dass es in Wittmund keine Stolpersteine gab. Die KGS und der Heimatverein beschlossen, sich der Sache anzunehmen. Im Schuljahr 2023/24 recherchierten Schüler*innen im Rahmen der Projektwoche im Stadtarchiv der Stadt Wittmund zur Geschichte der ehemalischen jüdischen Bevölkerung, wobei die Stadtarchivarin Frau Anja Fimmen sich über diese Initiative freute und die Projektgruppe mit Rat und Tat unterstützte.

Die Ergebnisse waren bemerkenswert, und es kam am 22.02.2024 zur ersten Verlegung von Stolpersteinen in Wittmund. Gunter Demnich, Begründer des Stolperstein-Projektes, reiste eigens zur Verlegung an und verlegte insgesamt 10 Stolpersteine für Juden, die in der NS-Zeit ermordet wurden:
Klusforder Str. 14: Nathan Löwenstein und seine Frau, Ina Löwenstein, geb. Weinberg, sowie ihre Kinder Anna und Gretchen (ihr gelang die Flucht in die USA).
Klusforder Str. 33: Isaak Hess und seine Frau Agnes Auguste, sowie ihre Kinder Jose und Caroline.
Buttstraße 1: Abraham Adolf Cohen und seine Frau Frieda Cohen.
Eine zweite Verlegung von Stolpersteinen erfolgte am 05.02.25. Wieder hatten Schüler*innen der KGS im Rahmen einer Projektwoche das Schicksal weiterer jüdischer Bürger Wittmunds recherchiert, Informationen zu den Familien zusammengetragen und Texte verfasst. Die zweite Verlegung betraf die Lebensgeschichte von Wittmunder Juden, die in die USA flüchten konnten.
Buttstraße 23: Adam Strassfeld und seine Frau Charlotte, geb. Dachs, sowie ihre Söhne Max Meyer, Fritz Efraim und Dagobert David.
Brückstraße 1: Markus Cohen und Ehefrau Marie, geb. Rosenborn, sowie die Söhne Ibo und Erich.
Mühlenstraße 9: Jenny Wolff, geb. Goldschmitt, und ihre Söhne Markus und Ludwig.

Die bislang verlegten Stolpersteine sind das Ergebnis der Arbeit der Schüler*innen, die sich für die Geschichte der Wittmunder Juden interessiert haben und den Opfern des NS-Regimes ihre Namen und ihre Geschichten zurückgeben wollen. Der Versuch der Nationalsozialisten, die jüdische Bevölkerung aus dem Gedächtnis der Stadtgeschichte Wittmunds zu löschen, ist im Fall der hier genannten Familien nicht gelungen. Dank der Stolpersteine können wir uns an diese Opfer des NS-Regimes erinnern.
Die bisherigen Ergebnisse der Recherche zu den Wittmunder Juden wurden zum 50-jährigen Schuljubiläum der KGS Wittmund in Form einer Ausstellung präsentiert. Diese stieß sowohl bei unseren Schüler*innen als auch bei Eltern und Gästen aus Amerika auf großes Interesse.
Wir danken an dieser Stelle der Raiffeisenbank Wittmund für ihre finanzielle Unterstützung. Ihre Spende finanzierte die Stellwände, ohne die eine würdige Präsentation der Rechercheergebnisse unserer Schüler*innen nicht möglich gewesen wäre.
Das Projekt „Stolpersteine“ ist noch nicht abgeschlossen. Es gibt noch viele Namen von Wittmunder Juden, deren Geschichten erzählt werden wollen. Das Vergessen ist keine Option, das Erinnern unsere Aufgabe.