Auftaktseminar des Integrationsprojektes der KGS auf der Insel Spiekeroog

„Das ist jetzt meine Lieblingsinsel“, schwärmte Olexandra schon am ersten Abend: Sie hatte 2021 als Austauschschülerin am internationalen EUREKA-Online-Jugendtreffen der KGS teilgenommen, als wegen der Pandemie ein Schüleraustausch in Präsenz nicht möglich war.

Vier Wochen nach Kriegsausbruch konnte sie aus Mariupol nach Wittmund fliehen und lebt seitdem in einer Pflegefamilie. Sie geht jetzt in die 12. Klasse und will an der Alexander-von-Humboldt-Schule Abitur machen. Da hat sie auch gute Chancen. Denn zusammen mit ihren deutschen, syrischen und ukrainischen Mitschülerinnen und Mitschülern aus der neuen Arbeitsgemeinschaft vertiefte auch sie sich mit Fleiß und Akribie in das politische Thema des Wochenendes „Die europäische Union, ihre Organe und ihre Geschichte“ und präsentierte auf hohem Niveau ihre Erkenntnisse. Es waren nicht nur das verträumte spätsommerliche Wetter und die romantischen Sonnenuntergänge am Strand, welche die Schülerinnen und Schüler begeisterten. „Lieblingsinsel“ wurde an diesem Wochenende Spiekeroog wegen seiner urwüchsigen Landschaft, über der eine große Ruhe lag, der Meeresluft und dem besonderen Gemeinschaftsgefühl, das sich schnell in der Gruppe verbreitete. Schon auf der Fähre rief Ksenia, die Freundin von Olexandra, ihrer Lehrerin Viktoriia Bakhur zu: „Es riecht hier wie am Asowschen Meer!“ Und Nathalia Shelhunova, ihre Kollegin, sagte in der Reflexion am Abschlussabend des Projektes, „dieser Aufenthalt war wie ein Flashback: Ich habe mich an meine Heimat erinnert.“ Denn das gemütliche Sitzen am Lagerfeuer mit Bratwurst und Brötchen war den Lehrerinnen aus der ukrainischen Partnerschule der KGS, dem Lyzeum Mariupol, sehr vertraut, zog doch jeden Sommer die ganze Schule in ein Zeltlager und zelebrierte Schulgemeinschaft unter freiem Himmel. Nun ist die Schüle zerbombt, Mariupol eine zerstörte Stadt. Beide Lehrerinnen wohnen inzwischen mit ihren Familien in Wittmund, arbeiten als Pädagogische Mitarbeiterinnen an der KGS, geben Deutschunterricht für Flüchtlinge an der Volkshochschule. Aber die Sehnsucht nach der Heimat bleibt, und der Krieg, die Flucht, der Tod in den Häusern und Straßen von Mariupol sind traumatische Erlebnisse. „Diese Dinge kann man nur verstehen, wenn es dir selbst passiert“, sagte mir Nathalia beim Frühstück.

Aber das sollte ja auch das Ziel sein: Gemeinsam an einem Bildungsprogramm teilnehmen in einer Atmosphäre, welche der Seele guttut und vielleicht auch Wunden heilen kann. Hierfür bot das Wochenende ein vielfältiges Programm: Unter Anleitung der Lehrerinnen arbeiteten die Schülerinnen und Schüler in Kleingruppen zu Grundlagen des politischen Systems der EU und bereiteten sich auf den Besuch des deutschen Bundestages im Oktober vor. Aber auch der Naturschutz durfte auf der Insel nicht fehlen. Unter Anleitung von Swantje Fock, der Leiterin des Nationalparkhauses Wittbülten, ging die ganze Gruppe in das Naturschutzgebiet hinter dem Quellerdünenheim des CVJM, wo man Quartier bezogen hatte, und bekämpfte die „spätblühende Traubenkirsche“, ein aus Kanada eingeschlepptes invasives Ziergehölz, welches sich zum Nachteil der heimischen Fauna unkontrolliert und schnell ausbreitet: Die jungen Setzlinge wurden an der Wurzel herausgezogen, größere Bäume am Stamm geschält. Aber auch eine Erkundung der Insel zu Fuß Richtung Westen, der Besuch der Ausstellung des Nationalparkhauses und natürlich das gemeinsame Holzsammeln für das Lagerfeuer durften nicht fehlen. „Es war so schön, ich werde ein Bild malen und es der Schule schenken“, sagte mir zum Abschluss Losin, eine syrische Schülerin aus der 8. Klasse. Ich erkundigte mich: ja, sie sei Malerin und male gern Landschaften. Ich versprach ihr, sie dürfe den Ort auswählen, wo wir das Bild in unserer Schule aufhängen.

Dr. Reinhard Aulke, Gesamtschuldirektor

Impressionen

Tag der Arbeit, Feiertag
01. Mai 2024